2004-02-17: "2004 ? Das Ende der Langeweile""

Raphael Poiree, Liv-Grete Poiree, Benjamin Raich (oder Hermann Maier oder Bode Miller), Anja Pärson, Janne Ahonen, Hannu Manninen, René Sommerfeldt, Kristina Smigun, Silke Otto, Armin Zöggeler, Sandra Prokoff, André Lange, Christof Langen, Jennifer Rodriguez, Anni Friesinger, Bob de Jong, Jeremy Wotherspoon.
So heißen die Helden der letzten Monate. Sie haben in ihrer Sportart den Gesamtweltcup gewonnen oder werden dies in den nächsten Wochen vollziehen. Jeder Einzelne von Ihnen war über eine lange Saison das Maß der Dinge ? oder zumindest der oder die Konstanteste über einen ganzen Winter hinweg. Doch die Tage werden wieder länger und in der Ferne hört man schon leise das Heulen der Motoren. Die Asphalttemperatur ersetzt die Schneetemperatur, die richtige Gummimischung an Stelle des richtigen Schliffs. Eau Rouge statt Wolfschlucht, die Streiff weicht Monte Carlo, die Kälte Sibiriens ist out und die Hitze Australiens wieder in.

Die Formel 1 Saison beginnt. Und was wir zum Ende der Saison 2003 gesehen haben, wird ab dem ersten Rennen 2004 zum Alltag. Auftrumpfende junge Stars wie Fernando Alonso oder Kimi Raikkonen fahren um Siege und den WM-Titel. Doch auch Juan Pablo Montoya, Ralf Schumacher und Rubens Barrichello wollen dieses Ziel erreichen. Und vielleicht werden auch die ausgedienten David Coulthard und Michael Schumacher dem Beispiel Frank Lucks folgen und ihre Helme endlich neben die Latten des Oberhofers hängen.

Analysiert man die gegenwärtige Situation, so kann man davon ausgehen, dass es noch spannender wird als im letzten Jahr. Wie immer möchte ich auch heuer meine hellseherischen Fähigkeiten strapazieren und wie in den letzten Jahren auch die Aussichten der 10 Teams voraussagen:

Minardi: Mit Gianmaria Bruni und Zsolt Baumgartner einmal mehr 2 interessante junge Fahrer; jedoch auch einmal mehr mit 2 bis 4 interessanten potenten Sponsoren. Auch in allen anderen Bereichen gibt es leider nicht viel Neues. Minardi muss die mangelnde Zuverlässigkeit vieler Teams bei den ersten 3 Rennen oder ein Regen-Rennen nutzen, um Punkte zu machen. Unter normalen Bedingungen ist das nämlich ausgeschlossen. Aber auch 2004 ist dabei sein Alles.

Jordan: Schicksalsjahr für Eddie und wahrscheinlich auch für Nick Heidfeld. Kann Jordan 2004 keinen Automobilhersteller von sich überzeugen, wird das Team spätestens 2006 nicht mehr in der Formel 1 aktiv sein. Auch Heidfeld muss zeigen, dass er zu mehr berufen ist, als in zweitklassigen Teams um die Krümel vom Tisch der Großen zu kämpfen. Das wird im 2004-er Jordan nicht leicht. Wenn er es packt, hat er es sich auch verdient. Und Eddie Jordan einen Bärendienst erwiesen. Giorgio Pantano dagegen kann eigentlich nur gewinnen. Das Zeug dazu hat er. Das Auto aber nicht, Platz 9 für Jordan.

Toyota: Die Erwartungen steigen. Und das Ziel der Kölner kann nur sein, diese Erwartungen zu übertreffen. Regelmäßige Punkte und den einen oder anderen Podestplatz müssen Panis und da Matta schon realisieren, wenn sie 2005 mit Toyota um Siege fahren wollen. Sonst finden sich dafür schnell andere. Platz 5 in der Konstrukteurs-WM.

Jaguar: So lange man auch sucht. Marc Webber bleibt das einzig Positive bei den britischen Raubkatzen. Aber er allein genügt, um genügend Punkte für Platz 8 in der WM zu ergattern. Christian Klien wird sich sehr schwer tun. Nicht immer ist ein früher Einstieg in die Formel 1 das Beste ? manchmal sogar nur der Auftakt für einen frühen Ausstieg. Schade.

Sauber: Auch den Eidgenossen würde ein Motorenpartner besser tun als der Motorenlieferant. Aber Sauber ist nicht schlecht aufgestellt. Ferrari stellt gutes Material um zwischen Fisichella und Massa den Nachfolger Michael Schumachers auszufahren. Auch die Finanzen hat Peter Sauber im Griff. Das wahrscheinlich spannendste teaminterne Duell 2004 bringt Sauber auf Rang 7.

BAR: Keine großspurigen Ankündigungen und kein teurer schlecht motivierter Ex-Weltmeister mehr. BAR will Leistung sprechen lassen. Die Testzeiten sind sensationell, was darauf schließen lässt, dass entweder noch Sponsoren fehlen oder BAR wirklich einen großen Schritt nach vorn getan hat. Mit Button am Lenkrad eine ernste Gefahr für Toyota. Die Saison ist aber zu lang um den fünften Rang zu halten, knapp nur Platz 6 in der WM. Auch weil Sato zwar solide ist, aber eben nicht mehr.

Renault: Der Durchbruch zum Topteam ist schon 2003 gelungen. Die Abkehr vom letztjährigen 110 Grad Motor erweist sich als richtig. Und anders als vermutet hat man nicht nur mit Alonso einen Top-Fahrer. Auch das Festhalten an Jarno Trulli dankt der Italiener mit Siegen.

McLaren: Raikkonen ist sicher einer der 3 ganz heißen WM-Anwärter. Coulthard gehört seit 4 Jahren nicht mehr in ein Top Team und er wird nicht müde, dies auch in dieser Saison eindrucksvoll unter Beweis zu stellen. Zuverlässigkeit wird ein entscheidender Faktor sein, der bei McLaren noch mit einem kleinen Fragezeichen versehen ist.

Williams: Auch bei Williams stehen die Zeichen auf WM. Doch Montoya wird definitiv 2005 McLaren fahren und auch Ralf Schumacher hat sich womöglich ein wenig verzockt. Technisch ist Williams die Nummer 1, aber wenn man sich nicht auf das Weiterentwickeln des Fahrzeugs konzentrieren kann, weil man keinem der beiden Fahrer Geheimnisse für 2005 mit auf den Weg geben möchte, könnte das am Ende die entscheidenden Punkte kosten.

Ferrari: Ein Michael Schumacher dem die Motivation ausgeht und Rubens Barrichello darf das nicht ausnutzen. Unter Umständen kann Ferrari tatsächlich um die WM kämpfen aber auch Platz 4 scheint realistisch. Wer indes auf den neuen Ferrari wartet, sollte vielleicht seien Winterschlaf bis zum Europa-Auftakt in Imola verlängern. Aber auch vergangene Jahre haben gezeigt, dass ein so genanntes ?altes? Auto nicht viel langsamer ist als eine Neuentwicklung in den ersten Wochen.

Der Mut hat mich verlassen. Eine Festlegung, wie genau sich McLaren, Williams, Ferrari und Renault auf den ersten 4 Plätzen der Konstrukteurs-WM platzieren, wage ich nicht vorauszusagen. Zu eng geht es in diesem Bereich zu. Die Reifenfrage kann Ferrari zum Weltmeister machen oder auch zum Don Quijote degradieren.
Renault wirkt derzeit so stark, dass man den Franzosen einen WM-Titel zutrauen sollte. Doch das kann in Melbourne schon wieder anders aussehen. Und das Kräfteverhältnis in Australien sagt noch gar nichts über jenes in Malaysia aus.
Sicher ist derzeit nur eines: 2004 wird es alles andere als langweilig.

Euer Alex!

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